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Botschafter Jens Plötner im Interview mit der Tageszeitung Empros – Lesvos

06.09.2017 - Interview

Botschafter Plötner im Interview mit der Tageszeitung Empros – Lesvos .
Botschafter Plötner liest die Tageszeitung Empros – Lesvos.© www.emprosnet.gr
Botschafter Jens Plötner im Interview mit Anthi Pazianou in der Tageszeitung Empros – Lesvos

Sie haben soeben die Leitung der Botschaft übernommen und schon haben Sie einige griechische Inseln besucht, die mit der Flüchtlingskrise zu kämpfen haben. Welche Inseln haben Sie besucht? Halten Sie die Flüchtlingskrise für eine prioritäre Frage?

Mir war es wichtig, möglichst schnell die griechischen Inseln zu besuchen, auf denen die meisten Flüchtlinge ankommen. Um mir ein eigenes Bild von der Lage zu machen, aber auch als ein Zeichen der Solidarität. Meine Botschaft: wir lassen Griechenland mit dieser Herausforderung nicht alleine! Deswegen unterstützt Deutschland Griechenland nach Kräften. Jeden Monat nehmen wir z.B. über 500 Flüchtlinge, die in Griechenland angekommen sind, in Deutschland auf.

War die Lage dort wie erwartet? Welchen Umständen sind Sie dort begegnet?

Was mir auf Samos besonders auffiel, war das große Engagement aller, die sich um die ankommenden Flüchtlinge kümmern. Alle Beteiligten, seien es die lokalen Behörden, die Küstenwache, die Polizei, Frontex, leisten wirklich sehr gute Arbeit. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Lage insgesamt verbessert hat, aber es bleiben natürlich große Herausforderungen bestehen, z.B. bei der Unterbringung. Trotz der Auswirkungen der Migrationslage auf die Insel, war es erfreulich zu hören, dass nach zwei schlechten Jahren der Tourismus auf Samos wieder zugenommen hat.

Wie sieht Ihr Besuchsprogramm für Lesbos aus? Hatten Sie die Gelegenheit, sich über die Probleme der Insel zu informieren?

Im Zentrum meines heutigen Besuches in Mytilini stehen Gespräche mit Gouverneurin Kalogirou, Bürgermeister Gallinos, und dem UNHCR. Des Weiteren werde ich das Flüchtlingscamp in Kara Tepe und den Hotspot Moria besuchen. Die Herausforderungen, die die Behörden und Einwohner auf Lesbos zu bewältigen hatten und haben, sind mir bewusst. Die Bilder aus dem Herbst 2015, als mehrere tausend Migranten täglich auf Lesbos anlandeten, gingen um die Welt und sind noch immer gegenwärtig.

Glauben Sie, dass Deutschland Lesbos bei der Bewältigung der Folgen der Flüchtlingsströme mehr hätte unterstützen können? Zum Beispiel mit dem Angebot von Kompensationsmaßnahmen.

Sie werden kein anderes Land in der EU finden, das Griechenland bei der Bewältigung dieser enormen Herausforderung mehr unterstützt hat als Deutschland. Dies gilt erst recht für die ägäischen Inseln und damit auch für Lesbos. Durch die Entsendung von Polizisten, Küstenwachbooten und Asylexperten unterstützt Deutschland die griechischen Behörden beim Grenzschutz und bei der Durchführung von Asylverfahren.

Und darüber hinaus war es uns auch wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass das Leben auf den Ägäischen Inseln nicht nur von der Flüchtlingskrise bestimmt wird. Deswegen haben wir auch dieses Jahr das berühmte Molyvos-Festival, das Mitte August hier auf Lesbos stattfand, finanziell gefördert.

Es wird die Auffassung vertreten, Angela Merkel hat 2015 die Grenzen geöffnet, sodass Deutschland die ausländischen Arbeitskräfte bekommt, die es baucht. Was antworten sie darauf?

Die große Mehrheit der Menschen, die 2015 und in der Folge nach Deutschland gekommen sind, sind vor Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat geflohen und haben in Deutschland um Asyl nachgesucht. Deutschland hat also auf eine humanitäre Notsituation reagiert – und nicht irgendwelche vermeintlichen arbeitsmarktpolitischen Ideen verfolgt. Die heutige Praxis zeigt auch: Es wird bei vielen Flüchtlingen mehrere Jahre dauern, bis sie die deutsche Sprache erlernt haben und auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben.

Alle europäischen Amtsträger unterstreichen, Lesbos ist eine europäische Insel. Die Inselbewohner fühlen sich allerdings im Stich gelassen. Was meinen Sie dazu?

Ich kann verstehen, dass manche hier auf den Inseln subjektiv dieses Gefühl haben. Aber die Wahrheit ist doch auch, dass sich neben Deutschland zahlreiche andere EU Mitgliedsstaaten solidarisch mit Griechenland zeigen, Personal entsenden und technische Unterstützung leisten. Ein solches Ausmaß europäischer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet hat es in der Geschichte der EU noch nicht gegeben.

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