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„Mauern einreißen, Brücken bauen“

Gemeinsame Veranstaltung anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Berliner Mauerfalls, © Deutsche Schule Athen
Eine Veranstaltung der Deutschen Schule Athen und der Ellinogermaniki Agogi anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Berliner Mauerfalls, unter der Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft Athen.
In einer Veranstaltung anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Berliner Mauerfalls, die am 12. November 2019 stattgefunden hat, organisierten Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Athen und der Ellinogermaniki Agogi ein originelles künstlerisches „Happening“. Die Schüler beider Schulen bauten ihre eigene „Mauer“ auf, die sie anschließend in einer symbolischen Geste wieder einrissen.
„Ich möchte heute über etwas sprechen, dass ich erlebt habe und ihr, Kinder, nie gesehen habt: die Berliner Mauer.“, sagte der griechische Außenminister Nikos Dendias, der an der Veranstaltung teilnahm.

„Der 9. November 1989 ist für meine Generation und mich persönlich ein Tag von enormer historischer Bedeutung. Es ist ein Tag mit historischer Vergangenheit. Am 9. November 1923 fand der erste gescheiterte Putschversuch von Adolf Hitler statt. 15 Jahre später, Hitler war inzwischen Reichskanzler, kulminierte die Verfolgung der Juden in der Reichskristallnacht. Die Fortsetzung ist allen bekannt“, erklärte er. „Zweiter Weltkrieg, Millionen Tote in der ganzen Welt. 1.500.000 Tote hatte Griechenland bei einer Gesamtbevölkerung von 7.000.000. Das Ende des Krieges fand Deutschland zerstört, besiegt, unterworfen, gespalten, unterteilt in zwei Staaten. Die Mauer trennte Freunde, Familien, eine Stadt, eine Nation, in Wirklichkeit eine ganze Welt. Sie machte Berlin zu einem Punkt, der die Hoffnung auf Freiheit und den Widerstand gegen ein unmenschliches Regime vereinte. “Ich bin ein Berliner„, das ist das Freiheitsmotto meiner Generation. Die Mauer, von der meine Generation glaubte, sie würde nie fallen, wurde niedergerissen und wir konnten alle feststellen, dass der Freiheitskampf der Menschen Früchte trägt.“, sagte der Außenminister.
„Wir dürfen aber niemals vergessen und ihr, Kinder, müsst von ihrer Existenz aber auch von ihrem Fall lernen. Als ich in eurem Alter war, gefiel es mir gar nicht, wenn ein Großer mit Anzug und Krawatte kam, um mir zu sagen, was ich tun soll. Und jetzt tue ich genau das Gleiche. Aber es ist die Verpflichtung meiner Generation, ihre Erfahrung, die ihr zum Glück nicht gemacht habt, nämlich den Freiheits- und Demokratiemangel, weiterzugeben“, fügte er hinzu. „Dieser Tag muss unterrichtet werden. Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit, sie sind das Ziel und müssen beschützt werden. Wir alle müssen die Ideen vernichten, die die Freiheit und die Möglichkeit des Menschen, für sich selbst zu entscheiden, bekämpfen.“ sagte er abschließend.

In der Veranstaltung, die im Technopolis in Athen stattfand, standen Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Athen und der Ellinogermaniki Agogi im Mittelpunkt. Es sind Schüler ohne Erinnerung an diese Ereignisse, die sich aber mit den Geschehnissen dieser Zeit auseinandergesetzt haben, die Auswirkungen dieses historischen Moments bewertet und sich für die Organisation einer großen Feier entschieden haben. Außerdem haben sie in Interviews mit Menschen, die die Ereignisse erlebt hatten, gelesen, dass die Nacht des 9. Novembers einem großen Fest gleich kam, dass die Menschen, die von der anderen Seite der Mauer kamen, sangen und tanzten, dass es viel Freude aber auch große Neugierde gab.
Für die Feier bauten die Schüler eine Mauer aus Kartons. Sie fügten sie zusammen und teilten sich symbolisch in zwei Seiten auf. Sie nahmen ihre Pinsel, ihre Farben, ihre Inspiration und ihr Talent und bemalten die Kartons, füllten die Mauer mit Farben, Bildern, der Fantasie und dem Optimismus ihrer Generation. Diese Mauer wurde auf beiden Seiten zu einem kleinen Kunstwerk. In einer symbolischen Geste nahmen sie anschließend Kartons heraus und rissen somit die Mauer ein, die zwischen ihnen stand.
Die Musikensembles beider Schulen trugen mit ihrem Musikprogramm zu der feierlichen Atmosphäre bei. „Freiheit“, „Wind of change“, „Sonderzug nach Pankow“, Lieder – Meilensteine, die aufgrund der Mauer und des Mauerfalls geschrieben wurden, wurden bewusst ausgewählt und auf hohem Niveau und mit viel Spaß von den Schülerinnen und Schülern der DSA gesungen.

Bei der Veranstaltung „Mauern einreißen, Brücken bauen“, die unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen stand, begrüßten die Schulleiterin der Deutschen Schule Athen, Annette Brunke-Kullik, und der Schulleiter der Ellinogermaniki Agogi, Stavros Savvas, die Gäste mit folgenden Worten: „Dass wir heute in Athen den Fall der Berliner Mauer gewürdigt haben, liegt daran, dass unsere zwei Schulen ein besonderes Verhältnis zu Deutschland und der deutschen Sprache haben.
Deshalb ist es uns wichtig, dass alle Jugendlichen, die die Deutsche Schule Athen und die Ellinogermaniki Agogi besuchen, über dieses historische Ereignis informiert sind und es ausgelassen, fröhlich und intensiv mit Aktionen, Kunst und Musik feiern. Dieses gemeinsame Event hilft uns auch, Brücken, nicht nur innerhalb Deutschlands, zu bauen, sondern auch hier, zwischen den Schülern unserer Schulen.“
Frau Bohnet, Referentin für Kultur und Politik der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, sagte: „30 Jahre schon! 30 Jahre ist Deutschland nicht mehr durch die Mauer geteilt. 30 Jahre – eine Generation. Ich freue mich besonders, heute hier auf einer Veranstaltung zu sein, bei der der überwiegende Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Zeit eines wiedervereinten Deutschlands, ja eines geeinten Europas geboren wurde. Der 9. November 1989 war die Nacht, die alles verändert hat: Berlin, Deutschland, Europa, ja die gesamte Welt. Für uns Deutsche ist er auch die Geburtsstunde eines neuen Deutschlands.

Hier in Griechenland ist die europäische Dimension des Mauerfalls entscheidend. Denn mit dem Mauerfall endete nicht nur die deutsche Teilung. Mit der Mauer fiel auch der Eiserne Vorhang, der unseren Kontinent 40 Jahre lang geteilt hatte. So gesehen lag auch Griechenland an der – ideologischen und realen – Grenze. Am 9. November feiern wir Deutschen deshalb nicht nur den Fall der Mauer – herbeigeführt ohne jegliche Gewalt. Wir feiern den Mut nicht nur der hunderttausenden Ostdeutschen, die im Herbst 1989 friedlich für Freiheit und Demokratie demonstrierten, sondern auch der Menschen von Danzig bis Prag, Ungarn bis Rumänien, ohne deren Weitsicht, Beharrlichkeit und Widerstandskraft die Mauer nicht zu Fall gebracht worden wäre.
Durch die deutsche Wiedervereinigung wurde ein geeintes Europa –unser Europa von heute, in dem junge Menschen wie Sie frei entscheiden können, ob sie in Athen, Budapest oder München studieren und ob sie Sommerurlaub am Mittelmeer oder an der Ostsee verbringen– erst möglich.
Ich bin besorgt darüber, dass es mancherorts scheint, als erlebten Mauern ein “Comeback„. Und ich bin besorgt, dass in unserem Europa die Stimmen derer lauter werden, die sagen, weniger Europa sei besser für uns. Für mich ist klar – und das leitet auch die deutsche Politik in Griechenland – wir werden Herausforderungen globalen Ausmaßes wie Klimawandel, Digitalisierung und auch Migration nur meistern können, wenn Europa zusammenhält und mit einer Stimme spricht.
Das Europa von heute kann sich in vielen Bereichen noch verbessern, aber es ist trotz allem das beste Europa, das wir je auf unserem Kontinent hatten. Hier kommt Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler ins Spiel: Der Herbst 1989 hat gezeigt, wozu Menschen gemeinsam im Stande sind. Den Mut für Freiheit und Demokratie von damals brauchen wir auch heute. Daher seid mutig, setzt Euch ein für Euer Europa, für Eure Freiheiten und Eure Zukunft.“
Als der Chor das letzte Lied sang, „99 Luftballons“ von Nena, ließen die Kinder ihre weißen Ballons in den Himmel fliegen. Damit zeugten sie Respekt gegenüber den Menschen, deren Mut und Leidenschaft für die Freiheit die Mauer zum Fall brachte, und setzten bei einer Jubiläumsfeier, die die deutschen Grenzen übersteigt und mit der gleichen Bewegtheit ganz Europa vereint, ihr Zeichen.

Text: Deutsche Schule Athen