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Rede von Botschafter Plötner, anlässlich der Ordensverleihung an den Bürgermeister von Thessaloniki, Yiannis Boutaris

Ehrung für den Bürgermeister von Thessaloniki, Yiannis Boutaris

Botschafter Plötner hat anlässlich der Ordensverleihung an den Bürgermeister von Thessaloniki, Yiannis Boutaris, eine Rede gehalten, © City of Thessaloniki

19.03.2019 - Rede

Botschafter Jens Plötner hat anlässlich der Ordensverleihung an den Bürgermeister von Thessaloniki, Yiannis Boutaris, eine Rede gehalten.

Lieber Yiannis Boutaris,

liebe Angehörige, Freunde und Weggefährten von Yiannis Boutaris,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Guten Abend und ein herzliches Willkommen zu der heutigen Ehrung von Yiannis Boutaris, einer vielseitigen, eine komplexen Persönlichkeit.

Lassen Sie mich einige der Aspekte dieser Persönlichkeit würdigen:

Boutaris den Unternehmer

Yiannis Boutaris wurde in ein traditionsreiches Weinbau- und Weinhandelsunternehmen geboren. Das kleine Museum des Weinguts „Kir Yianni“ in Naoussa vermittelt Eindrücke von der Entwicklung dieses vor 140 Jahren, 1879, gegründeten Traditionshauses, dessen Führung er 2002 an seine Kinder abgab. Sein Geschäftshintergrund vermittelte ihm nicht nur Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, sondern auch finanzielle Unabhängigkeit, nicht nur Kenntnis der Welt, sondern auch Interesse an Politik und Geschichte. Weit zurück reicht daher auch der erste Besuch in Deutschland, in Hamburg.

Boutaris den Politiker

Zu wenige Unternehmer finden den Weg in die Politik. Yiannis Boutaris hat den Weg gefunden – als Stadtverordneter und seit 2011 Bürgermeister von Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands. Thessaloniki hat sich während seiner Amtszeit als junge, kosmopolitische Stadt etabliert. Sie war 2014 Jugendhauptstadt Europas. Sie ist stolz auf ihre multireligiöse und multikulturelle Vergangenheit. Die Besucherzahlen haben sich verdoppelt, denn die Menschen sind fasziniert von der Vielfalt von Menschen und Kulturen in dieser besonderen Stadt.

Boutaris den Europäer

Yiannis Boutaris hat eine seltene Gabe. Er kann sich in die Perspektive des Anderen versetzen. Diese Gabe ist insbesondere in Europa dringend notwendig. Zu sehr bestimmt noch der eigene Blick auf Geschichte und Identität das Verhältnis unter den Nationen Europas. Zu wenig üben wir den gemeinsamen Blick auf unsere Vergangenheit, der alleine uns das Gemeinsame und Verbindende vermitteln kann. Yiannis Boutaris betrachtet das Verhältnis zu den Nachbarn Türkei und Nord-Makedonien ohne Ressentiments, sondern vielmehr mit dem Ziel von Verständnis und Zusammenarbeit. Im Streit um den Namen des Nachbarlandes hat er immer wieder die Integration in die europäischen und atlantischen Strukturen und damit auch der Entwicklung der Region und damit Thessalonikis im Blick behalten. Dafür nahm (und nimmt) er persönliche Risiken in Kauf, bis hin zum tätlichen Angriff auf ihn bei einer Demonstration 2018.

Boutaris den Geschichtsbewussten

Yiannis Boutaris hat die so vielfältige, komplexe, auch kontroverse Vergangenheit Thessalonikis nicht als Last, sondern als Chance begriffen. Als Chance, die sich aus der langen Geschichte und den vielfältigen Einflüssen ergeben, die die Stadt erfahren und aufgenommen hat – den klassisch griechisch-römischen, den christlichen der Paulusstadt, den tausendjährigen byzantinisch-orthodoxen, das halbe Jahrtausend osmanischer Herrschaft, den fünfhundertjährigen sephardisch-jüdischen Einfluss, der 1943 so schrecklich abbrach. Boutaris kennt diese Einflüsse im Detail und er ist sich ihrer Gegensätze und Brüche bewusst.

Yiannis Boutaris hat sich nachdrücklich für eine griechisch-deutsche Erinnerungskultur sowie eine Verstärkung der deutsch-griechischen Zusammenarbeit eingesetzt.

Als ungewöhnliches Amalgam aus Geschäftsmann, Politiker, Europäer und Geschichtsbewusstem ist uns Yiannis Boutaris in den letzten nahezu zehn Jahren begegnet. Auch uns ist er kenntnisreich und vorurteilsarm gegenüber getreten und hat sich nachdrücklich für eine griechisch-deutsche Erinnerungskultur sowie eine Verstärkung der deutsch-griechischen Zusammenarbeit eingesetzt. Er hat dabei Klartext mit uns geredet. Ich denke an seine Forderung, dass Deutschland an seine europapolitische Tradition anknüpft und selbst europäischer wird, bevor es von den anderen Mitgliedstaaten der EU erwartet deutscher zu werden. Ich denke auch an sein engagiertes, dabei durchaus kritisches Mitwirken an der Deutsch-griechischen Versammlung, der Plattform für die deutsch-griechische Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Er setzte dabei auf die Nutzung der deutschen Erfahrungen in den Bereichen Abfallwirtschaft, Berufsbildung und Gemeindeverwaltung für die weitere Entwicklung seiner Stadt. Es war seinem Einsatz zu verdanken, dass die 2. Jahrestagung der DGV 2011 in Thessaloniki stattfand. In gleicher Weise setzt er sich dafür ein, dass der Sitz des in Gründung befindlichen Deutsch-griechischen Jugendwerks auf griechischer Seite in Thessaloniki sein wird.

Für Boutaris ist die Verwirklichung des Holocaust Museums eine Herzensangelegenheit.

Einen besonderen Akzent setzt in unserer Zusammenarbeit mit Bürgermeister Boutaris das von der jüdischen Gemeinde Thessaloniki initiierte Holocaust Museum von Griechenland. Für den Bürgermeister ist dieses Museum, das er eher als Museum für die jüdische Geschichte und Kultur in Thessaloniki sieht, eine Herzensangelegenheit. Deutschland und die Stavros-Niarchos-Stiftung unterstützen das Projekt mit jeweils 10 Millionen Euro. Wir freuen uns, dass wir in Yiannis Boutaris und David Saltiel zwei starke Persönlichkeiten an der Spitze des Projekts wissen, die sich gemeinsam mit aller Kraft für seine Verwirklichung engagieren. Boutaris ist sich der fünfhundertjährigen Präsenz der Juden im „Jerusalem des Balkans“ und ihres Beitrags bewusst, ebenso aber ihres schrecklichen Endes im Holocaust während der deutschen Besatzung Griechenlands, des Antisemitismus und der Kollaboration. Damit relativiert er aber nicht die deutsche Schuld, sondern unterstreicht die Bedeutung des differenzierten Wissens um den Holocaust und des „Nie wieder“, das in seinem steten Kampf gegen jede Form des Antisemitismus und in seiner sehr sichtbaren Teilnahme an dem jährlichen Holocaust Gedenken oder dem „March of the Living“ deutlich wird.

Yiannis Boutaris hat aus der Komplexität seiner Persönlichkeit Motivation und Kraft für seinen politischen Gestaltungswillen gezogen. Dieser positive Gestaltungswille galt auch den deutsch-griechischen Beziehungen. Wir sind dafür dankbar. Mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland würdigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Verdienste von Yiannis Boutaris, dem Bürgermeister von Thessaloniki, um die deutsch-griechische Zusammenarbeit.

Ich gratuliere von Herzen und freue mich, Ihnen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, nun die Insignien des Ordens überreichen zu dürfen.

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