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Gedenkrede von Botschafter Ernst Reichel am Volkstrauertag auf dem Deutschen Soldatenfriedhof Dionysos-Rapentosa
Deutscher Soldatenfriedhof Dionysos-Rapentosa, © Deutsche Botschaft Athen
Traditionell wurde am Volkstrauertag aller Opfer von Krieg, Terror und Gewaltherrschaft mit einer Gedenkfeier mit Kranzniederlegung auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Dionysos-Rapentosa gedacht.
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Kollegen,
sehr geehrte Anwesende,
herzlichen Dank, dass Sie zum diesjährigen Volkstrauertag gekommen sind, um gemeinsam mit mir aller Opfer zu gedenken, die ihr Leben in Kriegen und unter gewalttätigen Regimen verloren haben.
Hier auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Dionysos-Rapentosa haben fast 10.000 Soldaten aus dem II. Weltkrieg ihre letzte Ruhestätte gefunden. An diesem Ort liegen deutsche Soldaten, gefallen in ganz Griechenland, fern der Heimat und fern ihrer Familien. Wir gedenken heute dieser jungen Soldaten, die von einer verbrecherischen Führung in den Krieg geschickt wurden. Sie verloren ihr Leben für einen nationalen Wahn, der von viel zu vielen im damaligen Deutschland geteilt wurde.
Man kann das Gedenken, dem der Volkstrauertag dient, nicht auf die gefallenen Soldaten und schon gar nicht auf die gefallenen deutschen Soldaten reduzieren. Es ist eine Verpflichtung, an diesem Tag aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken. Der gefallenen Soldaten aller Länder, der Opfer von Gewaltherrschaft und Terror. Hier in Griechenland ist kaum ein Dorf von Krieg und Gewalt verschont geblieben, und wir gedenken hier und heute auch der Abertausenden Menschenleben, die die deutsche Besatzung in Griechenland gefordert hat.
Der Nachhall dieser Katastrophe des II. WK, die mehr als 50 Millionen Menschleben gefordert hat, hat uns in dem Glauben bestärkt, dass Krieg in Europa nie mehr möglich sei, dass Europa quasi eine weltweite Ausnahme sei, die sich darauf verlassen kann, von Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen verschont zu bleiben. Das hat sich am 24. Februar 2022 endgültig als Illusion erwiesen. Dass Menschen, zumindest in Europa, nicht mehr beinflussbar seien, ihre Umgebung in „Freunde“ und „Feinde“ einzuteilen und dann auch zum Mittel der Gewalt zu greifen, ist gleichfalls eine Illusion. Der russische Angriff auf die Ukraine hat der ganzen Welt gezeigt, dass auch in Europa Sicherheit nicht garantiert ist. Alle, die geglaubt haben, das in Europa Krieg, Elend und Leid der Vergangenheit angehören, wurden durch den Eroberungskrieg Russlands gegen die Ukraine, der seit nunmehr 263 Tagen andauert, eines Anderen belehrt.
Umso wichtiger ist es für uns Deutsche, dass wir uns unsere eigene historische Schuld immer wieder bewusstmachen. Wir als Deutsche wollen und müssen uns unserer Vergangenheit stellen.
Wir können die Geschichte nicht verändern, und wir dürfen sie nicht ignorieren, relativieren oder umdeuten. Der einzige Weg, der uns bleibt, ist, entschieden dafür einzutreten, dass Krieg und Diktatur keine Option für die Zukunft sind. Mit aller Kraft müssen wir im Inneren für Demokratie und Toleranz und im Äußeren für Verständigung und Versöhnung einstehen. Aber auch, gemeinsam mit unseren Partnern, unser Bestes tun, damit Angriffskriege wie in der Ukraine scheitern und so nicht zur neuen Normalität werden.
Es ist ein kostbares Geschenk, dass wir diese Partner haben, dass aus ehemaligen Feinden Freunde geworden sind. Heute stehen unsere Soldaten kameradschaftlich Seite an Seite, um unsere Werte zu bewahren und zu sichern.
Erinnerungstage wie dieser waren und sind daher richtig und wichtig. An Orten wie diesen spüren wir die Widersinnigkeit des Krieges und ungezügelter Gewalt. Lassen sie uns daher aus der Erinnerung die Überzeugung und die Kraft finden, uns für das Gemeinsame einzusetzen und das Trennende zu überwinden. Gerade die aktuellen Geschehnisse zeigen deutlich, dass es nicht nur der Erinnerung bedarf, sondern auch gemeinsamer Anstrengungen, um Aggressionen standhaft zu begegnen.
Meine Damen und Herren!
Die Toten mögen in Frieden ruhen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!