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Rechtsverfolgung und -verteidigung in Griechenland

Vollstreckungsbescheid zum Mahnbescheid Formular Deutschland Symbolbild | Verwendung weltweit, © chromorange
Allgemeine rechtliche Grundlagen
Rechtsverfolgung und -verteidigung sind in Griechenland ähnlich geregelt wie in Deutschland (insbesondere Gerichtsaufbau, Instanzenzug). Auch die Systematik des griechischen Zivilprozess-rechts ist vom deutschen Recht beeinflusst. Dennoch bestehen Unterschiede wie z. B. die extreme Langwierigkeit griechischer Gerichtsverfahren. Diese dauern EU-weit am längsten und erstrecken sich nicht selten über mehr als 10 Jahre.
Geltendmachung von Forderungen
Außergerichtliche Einziehung von Forderungen
Die außergerichtliche Durchsetzung von zivilrechtlichen Forderungen gestaltet sich in Griechenland schwieriger als in Deutschland. Inkassoinstitute nach deutschen Standards gibt es in Griechenland nicht. Zur Geltendmachung von Forderungen ist es in der Regel erforderlich, eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt einzuschalten.
Rechtsweg (Einklagen von Forderungen)
Gesetzliche Grundlagen
Das griechische Zivilverfahrensrecht wird durch die griechische Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt (an deutsche ZPO angelehnt).
Sachliche und örtliche Zuständigkeit
In erster Instanz ist das Amtsgericht (Irinodikio) für Streitigkeiten bis zu Streitwert von 20.000,- EUR, das Landgericht (Protodikio) für Streitigkeiten ab 20.001,- EUR sachlich zuständig. Daneben werden streitwertunabhängige Zuständigkeiten für Amts- und Landgericht bestimmt (z. B. bei Miet- und Familiensachen). Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz der bzw. des Beklagten (Allg. Gerichtsstand), sofern nicht ein ausschließlicher oder alternativer Gerichtsstand greift.
Verfahrensarten
Ordentliches Verfahren: Prozessparteien können Schriftsätze und Beweismittel bis zur mündlichen Verhandlung bei Gericht einreichen; es ist kein förmlicher Beweisbeschluss erforderlich. Nach mündlicher Verhandlung erlässt die Richterin bzw. der Richter ein Urteil, jedoch wird dieses nicht mündlich verkündet. Prozessparteien müssen sich selbst bei Gericht nach der Entscheidung erkundigen. Die Zustellung des Urteils erfolgt nur auf Veranlassung und Kosten der Prozessparteien. Mit Zustellung des Urteils beginnt die Berufungsfrist (30 Tage). Legt keine der Parteien ein Rechtsmittel ein, so wird das Urteil nach Ablauf dieser Frist rechtskräftig. Veranlasst hingegen keine der Prozessparteien eine Zustellung des Urteils, so erwächst dieses erst 3 Jahre nach seiner Veröffentlichung in Rechtskraft.
Besonderes Verfahren: Besondere umfassen Verfahrensarten mit jeweils eigenen Regelungen (Ehestreitigkeiten, Kindschaftssachen, Unterhalts- und Sorgestreitigkeiten, Mietsachen sowie arbeitsrechtliche Streitigkeiten). Gesondert geregelt ist außerdem das sogenannte Zahlungsbefehlsverfahren zur vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen, welches dem deutschen Mahnverfahren entspricht.
Kostentragung, Kostenrisiko
Wie im deutschen Prozessrecht bestimmt sich auch nach der griechischen ZPO die Tragung der Prozesskosten nach dem Anteil des jeweiligen Obsiegens oder Unterliegens. Oftmals werden Kosten gegeneinander aufgehoben, so dass jede Partei im Wesentlichen ihre eigenen Kosten zu tragen hat.
Anwaltszwang
Vor Gerichten besteht grundsätzlich Anwaltszwang. Ausnahmen:
- vor Strafgerichten mit Ausnahme des Areopag und der Schwurgerichte,
- vor den Amtsgerichten bis zu einem Streitwert von 5.000,00 Euro,
- in dringenden Fällen zur Schadensabwendung.
Anerkennung und Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheidungen in Griechenland
Im deutsch-griechischen Urteils- und Vollstreckungsverkehr sind mehrere Normenkomplexe einschlägig, je nachdem welches Rechtsgebiet betroffen ist und wann eine Entscheidung oder ein Verfahren stattgefunden hat.
Allgemeines Verfahren nach der EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012)
Nach der EuGVVO (sog. „Brüssel Ia-VO“), die die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in grenzübergreifenden Fällen regelt, kann die Vollstreckung von deutschen Gerichtsentscheidungen in Griechenland direkt betrieben werden, wenn sie von einem griechischen Gericht für vollstreckbar erklärt wurden (Art. 38 Abs. 1 EuGVVO). Der erforderliche Antrag der Vollstreckungsgläubigerin bzw. des Vollstreckungsgläubigers ist bei dem für den Bezirk des Wohnsitzes der Schuldnerin bzw. des Schuldners oder des Ortes der beabsichtigten Zwangsvollstreckung zuständigen Landgerichts anzubringen. Zu beachten ist der bestehende Anwaltszwang. Das Verfahren gilt ebenso für in Deutschland errichtete vollstreckbare öffentliche Urkunden. Ein Zwischenverfahren ist nicht erforderlich. Die Schuldnerin bzw. der Schuldner kann bei Gericht die Ablehnung der Vollstreckung beantragen.
Für den Antrag selbst gilt gem. Art. 40 Abs. 1 EuGVO griechisches Zivilprozessrecht. Nach Art. 118, 747 grc ZPO muss der Antrag danach enthalten:
- Die Bezeichnung des angerufenen Gerichts sowie die Tatsachen, die die Zuständigkeit des Gerichts begründen;
- die Personalien und die Adresse der antragstellenden Person;
- die Bezeichnung des Schriftsatzes als Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils sowie eine Beschreibung des Gegenstandes, auf den sich der Schriftsatz bezieht;
- Angaben über Tatsachen, die die Stellung des Antrags und die Befugnis zu dessen Einlegung rechtfertigen;
- Datum und Unterschrift der bevollmächtigten Rechtsanwältin bzw. -anwalts;
- eine Ausfertigung der deutschen Entscheidung sowie eine Bescheinigung nach Anhang V der EuGVVO.
Übersetzungen der vorzulegenden Dokumente sind nicht gesetzlich vorgeschrieben, werden jedoch in aller Regel von der griechischen Gerichtsbarkeit verlangt. Sie müssen von einer dazu befugten Person beglaubigt werden (z. B. Übersetzungsdienst beim griechischen Außenministerium; griechische Rechtsanwältinnen und -anwälte). Im Hinblick auf Zeitersparnisse ist es ratsam, Übersetzungen schon beim Antrag mit einzureichen.
Sofern die Voraussetzungen gegeben sind und liegt keiner der in Art. 34, 35 EuGVVO genannten Versagungsgründe vor, wird die deutsche Entscheidung gem. Art. 41 EuGVO unverzüglich für vollstreckbar erklärt, ohne, dass eine Anhörung der Schuldnerin bzw. des Schuldners erfolgt. Die Vollstreckbarerklärung wird zugestellt. Ab Zustellung steht der Schuldnerin bzw. dem Schuldner für die Dauer eines Monats ein Rechtsmittel gegen die Erklärung zu, dass er gemäß Anhang III EuGVVO beim zuständigen Berufungsgericht anzubringen hat. Während eines solchen Rechtsmittelverfahrens darf die Zwangsvollstreckung nur zum Zwecke der Sicherung fortgesetzt werden. Wird wiederum in Deutschland ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung in der Hauptsache eingelegt, kann eine Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens erfolgen. Gegen die Ablehnung des Antrags hierauf kann der Antragsteller wiederum seinerseits einen Rechtsbehelf einlegen (vgl. für beide Behelfe Art. 43 EuGVVO).
Abgesehen von geringfügigen Stempelmarken fallen keine gesonderten Gerichtsgebühren an, die Antragstellerin bzw. der Antragsteller hat jedoch seine außergerichtlichen Kosten zu tragen, sofern diese nicht gesondert bei der Schuldnerin bzw. beim Schuldner liquidiert werden können.
Europäischer Vollstreckungstitel (Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (EuVTVO)
Der europäische Vollstreckungstitel ist ein Verfahren zur Vollstreckung einer nationalen gerichtlichen Entscheidung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer öffentlichen Urkunde über eine zivil- oder handelsrechtliche, unbestrittene Geldforderung in den Mitgliedstaaten der EU. Eine Forderung gilt als unbestritten, wenn:
- Die Schuldnerin bzw. der Schuldner die Forderung ausdrücklich anerkannt hat
- Die Schuldnerin bzw. der Schuldner der Forderung im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit nach den Verfahrensvorschriften des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats (Deutschland) widersprochen hat
- Die Schuldnerin bzw. der Schuldner zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung unentschuldigt nicht erschienen oder nicht vertreten worden ist.
Den Vollstreckungstitel kann die Gläubigerin bzw. der Gläubiger bereits in Deutschland erlangen. Sobald er ausgestellt wurde, muss er zusammen mit dem Urteil an die zuständige Stelle in GRC geschickt werden. Für das Vollstreckungsverfahren gilt griechisches Recht.
Ein ausführlicher Leitfaden zum europäischen Vollstreckungstitel kann auf der Internetseite des Europäischen Justizportals kostenlos heruntergeladen werden.
Familienrecht (Gerichtsverfahren ab 01.03.2001) Brüssel IIa-VO
Auch deutsche Gerichtsentscheidungen im Familienrecht werden in Griechenland gemäß der Brüssel IIa-VO ohne gesondertes Verfahren anerkannt; es muss jedoch eine Übersetzung ins Griechische beigefügt werden. Die Verordnung findet Anwendung auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, Ungültigkeitserklärung einer Ehe sowie das Sorgerecht und das Umgangsrecht, die Vormundschaft und Pflegschaft und die Personen- und Vermögensfürsorge für ein Kind. Soweit es um Sorgerechts- und Umgangsentscheidungen in grenzüberschreitenden Fällen geht, werden die zentralen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten dabei beratend und unterstützend tätig.
Kontaktdaten der Zentralen Behörde in Griechenland:
Ministerium für Justiz, Transparenz und Menschenrechte - Abteilung für internationale justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen
Messogion Str. 96, 11527 Athen; Tel.: 0030 210 7767312; E-Mail: civilunit@justice.gov.gr
Kontaktdaten der Zentralen Behörde in Deutschland:
Bundesamt für Justiz – Zentrale Behörde für internationale Sorgerechtskonflikte –
Adenauerallee 99-103, 53113 Bonn, Tel.: +49 228 99 410-5212; E-Mail: int.sorgerecht@bfj.bund.de
Weitergehende Informationen und Broschüren zur Anerkennung und Durchsetzung deutscher familienrechtlicher Entscheidungen in Griechenland können auf der Internetseite des Europäischen Justizportals und dem Bundesamt für Justiz abgerufen werden.
DGrAV (Deutsch-Griechischer Anerkennungsvertrag)
Anwendungsbereich beschränkt sich auf Entscheidungen in Familiensachen, die vor dem 1. März 2001 ergangen sind, sowie solche, die weder die Ehe noch die elterliche Sorge betreffen (z. B. Adoptionsentscheidungen, Name und Vorname des Kindes, Volljährigskeitserklärungen, Straftaten von Kindern), sowie die Anerkennung von Zivilsachen, die nicht der EuGVVO oder der EuVTVO unterliegen (Angelegenheiten bzgl. des Personenstandes, der Rechts- und Handlungsfähigkeit, der gesetzl. Vertretung natürlicher Personen, der ehelichen Güterstände, Erb- u. Testamentsachen).
Weitere Rechtssachen (Insolvenzverfahren, Schiedssprüche)
Ist weder eine der genannten transnationalen Verordnungen noch der DGrAV einschlägig, so ist nationales grc Anerkennungsrecht anzuwenden, insb. das Anerkennungsverfahren der Art. 903 ff. grc ZPO. Dieses gilt für Schiedssprüche oder außergerichtliche vollstreckbare Urkunden (bspw. Anwaltsvergleiche).
Einstweiliger Rechtsschutz
Einstweilige Maßnahmen nach griechischem Recht sind gem. Art. 47 EuGVO auch im Falle eines (noch) nicht rechtskräftigen ausländischen Titels möglich, sofern dieser anerkennungsfähig ist. Selbst wenn die Gläubigerin bzw. der Gläubiger einen Titel noch nicht erwirkt hat, lässt Art. 31 EuGVO einstweilige Maßnahmen nach nationalem Recht zu, auch wenn die Gerichte dieses Staates nach den Art. 2 ff. der EuGVO nicht für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sind. Derartige Maßnahmen sind insbesondere solche des einstweiligen Rechtsschutzes i. S. der Art. 682 ff. grc ZPO, wie etwa eine vorläufige Pfändung, Sicherstellung oder einstweilige Anordnung.
Vollstreckung in der Praxis
Eine Vollstreckung in Griechenland kann mit hohem finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden sein und die Erfolgsaussichten sind im Vergleich zu Deutschland oft geringer. Die deutschen Vertretungen in Griechenland empfehlen daher, sich zunächst mit einem am Wohnort der Schuldnerin bzw. des Schuldners niedergelassenen Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen und sich von diesem über die konkreten Aussichten beraten zu lassen. Die folgenden europäischen Verfahren kommen für deutsche Gläubigerinnen und Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen als günstigere und schnellere Alternative zum ordentlichen Klageverfahren in Betracht:
Europäisches Mahnverfahren (Verordnung (EG) Nr. 1896/2006)
Das europäische Mahnverfahren kann für fällige und bezifferte Geldforderungen in unbegrenzter Höhe angestrengt werden, bei denen mindestens eine Partei ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz im EU-Ausland hat. Nur zulässig für zivil- oder handelsrechtliche Zahlungsansprüche.
Die erforderlichen Antragsformulare sowie ein ausführlicher Leitfaden zum europäischen Mahnverfahren können auf der Internetseite des Europäischen Justizportals kostenlos heruntergeladen werden.
Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen (Verordnung (EG) Nr. 861/2007)
Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen gibt den Gerichten der Mitgliedsstaaten Bearbeitungsfristen verbindlich vor und wird durch einheitliche Formblätter in standardisierter Form durchgeführt. Das Verfahren gilt für alle zivil- oder handelsrechtlichen Forderungen gegenüber Unternehmern und Verbrauchern, die ab dem 1. Januar 2009 entstanden sind (Streitwert ohne Zinsen, Kosten und Auslagen bei Eingang bei Gericht max. 2.000 EUR).
Die erforderlichen Formblätter sowie ein ausführlicher Leitfaden zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen können auf der Internetseite des Europäischen Justizportals kostenlos heruntergeladen werden.