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Grußwort des Generalkonsuls Stechel anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Solidarität und Widerstand“

Generalkonsul Walter Stechel

Generalkonsul Walter Stechel, © Deutsches Generalkonsulat Thessaloniki

24.09.2018 - Rede

Grußwort des Generalkonsuls Walter Stechel anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Solidarität und Widerstand – Die Unterstützung des griechischen Widerstands gegen die Militärjunta durch deutsche Parteien, Gewerkschaften und politische Stiftungen (1967-1974)“ im Goethe-Institut Thessaloniki

Sehr geehrte Frau Ministerin Notopoulou,

lieber Herr Bartsch,

lieber Herr Storck,

Kalisperasas Kyries kai Kyrii,

Guten Abend, sehr geehrte Damen und Herren,

Herzlichen Dank für die Gelegenheit, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Solidarität und Widerstand“ einige Worte an Sie zu richten.

Die Zeit der Militärjunta, die die Ausstellung thematisiert, also 1967 – 1974, deckt sich ziemlich genau mit der Zeit meiner eigenen politischen Bewusstwerdung. Ich wurde 1953 geboren und der Film „Z“ von Costa-Gavras verdeutlichte mir um 1970 in beklemmender Weise die Existenz eines „deep state“ in Nachkriegseuropa, eines tiefen Staates, der vier Jahre nach dem Mord an Lambrakis die Macht erputscht hatte. Ich hätte in jener Zeit ebenso nach Portugal oder Spanien schauen können, um die gleiche ungute Erfahrung zu machen, aber „Z“ zeigte sie exemplarisch am Beispiel Griechenland!

1970 hätte ich mir nicht vorstellen können, 2016 in Thessaloniki als Generalkonsul an dem Ort zu stehen, an dem 1963 Lambrakis ermordet wurde. 1970 war es aber auch mehr Hoffnung als Erwartung, dass fünfzig Jahre später Griechenland, aber eben auch Spanien und Portugal, Mitglieder der EU, des Euro und des Schengenraums sein würden und durch die Turbulenzen der letzten Jahre auch geblieben sind. An der demokratischen Wende in Griechenland 1974 ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, die deutsche Unterstützung des griechischen Widerstands gegen die Militärjunta nicht ganz unbeteiligt. Diesem Aspekt gilt die heutige Ausstellung.

Lassen Sie mich vier Schlaglichter auf diesen Widerstand in Deutschland werfen.

Am 1. Mai 1967, dem Tag der Arbeit, nur zehn Tage nach dem Putsch, fand in Stuttgart eine Demonstration für ein freies Griechenland statt. Damit wurde Deutschland, mit seiner bereits gut etablierten Kolonie von Griechen, zu einem Brennpunkt des Widerstands gegen die Junta. Dieser Widerstand fand starken Widerhall und Unterstützung in den deutschen Gewerkschaften. Ich bedaure daher sehr, dass Michael Sommer kurzfristig verhindert ist, zur Ausstellungseröffnung hier zu sein. Er ist nicht nur stellvertretender Vorsitzender der FES, sondern war 2002 – 2014 Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Zum Zeitpunkt des Putsches befand sich der in Deutschland lebende griechische Journalist Basil Mathiopoulos in Athen. Er stand auf der Fahndungsliste der Junta und konnte sich der Verhaftung nur durch die Flucht in die deutsche Botschaft entziehen. Nach drei Wochen wurde er auf persönliche Intervention des damaligen Außenministers Willy Brandt hin ausgeflogen. Die Geschichte ging aber noch weiter, denn Mathiopoulos erhielt, wie andere Griechen, die von der Junta ausgebürgert wurden, einen deutschen Fremdenpass.

Zu den Ausgebürgerten gehörte auch Niki Eideneier-Anastassiadi, die ebenfalls heute bei uns ist, und die sich als Mitarbeiterin des Bayerischen Rundfunks gegen die Militärjunta in Griechenland engagierte. Diese Rundfunkprogramme, wie auch die der Deutschen Welle, waren ein Ärgernis für das Regime und eine Quelle der Information und, ja, der Hoffnung, dass das Schicksal Griechenlands Deutschland und Europa nicht gleichgültig war.

Diese Hoffnung vermittelten gerade auch deutsche Intellektuelle und Künstler. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Ausstellung heute im Goethe-Institut Thessaloniki eröffnet und gezeigt wird. Es war das Goethe Institut Athen, das 1972 Günter Grass einlud, und wo er mit seiner „Rede gegen die Gewöhnung“ (Logos enantion tis sinitheias) gegen das sich-Arrangieren mit der Militärdiktatur Einspruch erhob. Günter Wallraffs Protestaktion auf dem Syntagma-Platz, mit der er Gesundheit und fast auch Leben aufs Spiel setzte, gehörte dann zu den letzten Hammerschlägen, die das Gebäude der Diktatur zum Einsturz brachten.

Als Epilog sei noch der Männer gedacht – und es waren meist Männer – die nach dem Ende der Militärdiktatur aus Deutschland kommend am Wiederaufbau des demokratischen Griechenlands mitwirkten. Ich nenne beispielhaft den späteren Ministerpräsidenten Kostas Simitis und den späteren Staatspräsidenten Karolus Papoulias.

All dieser Aspekte wird mit der Ausstellung gedacht, die wir heute eröffnen. Mein Dank gilt den Ausstellungsmachern von ASKI und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ich freue mich besonders, dass das Auswärtige Amt die Ausstellung aus dem Deutsch-griechischen Zukunftsfonds finanzieren konnte. Der Zukunftsfonds ermöglicht seit 2014 Projekte, die Facetten einer gemeinsamen deutsch-griechischen Erinnerungskultur bilden. Angesichts der oft traumatischen Aspekte unserer gemeinsamen Geschichte mag die heutige Ausstellung über deutsche Solidarität mit dem griechischen Volk zur Zeit der Militärdiktatur einen positiven Akzent setzen und dazu beitragen, dass wir zu Verständigung und Versöhnung finden.

Angesichts der Herausforderungen vor denen Europa steht, brauchen wir gemeinsame Erinnerung, Verständigung und Versöhnung mehr denn je. Die Ausstellung „Solidarität und Widerstand“ scheint mir ein wichtiges Element des europäischen Narrativs zu vermitteln, das wir doch immer suchen. Ein Narrativ von Anteilnahme und Unterstützung über die Grenzen, ein Narrativ vom Weg in ein Europa der demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Werte.

In diesem Sinne wünsche ich der Ausstellung viel Erfolg, insbesondere viele nachdenkliche Besucher!

Vielen Dank. Sas evcharisto para poli!

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